Weltentdecker des Monats Dezember 2021

Weltentdecker Dezember: Warum das (Weit)wandern glücklich macht

| | 0Kommentare

Wir freuen uns sehr, heute zum einen Mal wieder einen Mann im Interview zu haben und zum anderen auch noch jemanden, der seine Heimat Deutschland für sich als Reiseland entdeckt hat. Und weil’s ihm so gut gefällt, hat er seine Wanderschuhe angezogen und ist mal eben von Berlin nach München gewandert. Was man halt eben so macht …

Im Interview berichtet uns Daniel von seinen Erfahrungen und Begegnungen auf der Weitwanderung. Und er erzählt, was das Reisen und das Wandern mit ihm macht.

Viel Spaß beim Lesen!

Erzähle uns kurz etwas über dich!

Ich bin Daniel, 34 und Wirtschaftsingenieur. Schon in den ersten Semestern habe ich angefangen Rucksackreisen nach Südamerika zu wagen und war dann so angefixt vom Reisen, dass bis 2017 mindestens einmal im Jahr eine mehrwöchige Fernreise folgte.

Irgendwann hatte ich das Gefühl, ich müsste mein eigenes Land besser kennenlernen und startete kürzere Roadtrips und Städtereisen in Deutschland. Seit 2018 habe ich vor allem das Waldbaden und Wandern für mich entdeckt und schreibe darüber auf meiner Website.

Bei einem dieser Ausflüge in den Odenwald stand ich an einem Teil des Limes und hatte spontan den Gedanken, wie es wäre einfach immer weiter daran entlang zu laufen. Es hat dann doch noch etwas gedauert, bis ich eine Weitwanderung aktiv geplant habe.

2020 war es dann jedoch soweit, dass ich zwar nicht am Limes aber von Berlin nach München gelaufen bin. Das hat mich so erfüllt, dass ich meine Erlebnisse in einem Wanderbuch festgehalten habe, das mit Karten zu den Tagesetappen zusätzlich alle Leser zum Stiefelschnüren und Nachmachen animieren soll.

Website: draussentutgut.de

Auf welche Art reist du am liebsten und warum?

Seit einigen Jahren am Liebsten mit dem Zug/Öffentlichen und zu Fuß mit Rucksack. Das geht nicht in allen Ländern, aber gerade in Deutschland ist das Netz ziemlich gut. Die Weitwanderung letztes Jahr war meine Erste, aber ich empfand es im Vergleich zu meinen anderen Rucksackreisen als noch schöner.

Zu Fuß gelangt man auch an Ecken, an die man sonst nicht gelangen würde und kann die Landschaft auch viel intensiver wahrnehmen. Man ist 9-11 Stunden im Freien an der frischen Luft und hat gleichzeitig noch eine gewisse körperliche Verausgabung.

Das hatte ich sonst noch auf keiner Reise und mich hat es innerlich sehr glücklich gemacht und auch geerdet.

Was sind deine Top 3 ultimativen Reisegadgets und warum?

Auf einer Fernwanderung ist natürlich das Equipment und Gewicht das A & O. Am wichtigsten fand ich den Rucksack und die Schuhe.

Wenn man täglich zwischen 25 und 35 km läuft, dann spürt man das am Ende des Tages bei jedem Schuh. Wenn der Schuh aber nicht passt, hat man spätestens nach 2 Tage solche Schmerzen und oder Blasen, dass man nicht mehr weiterkommt. Der Weg führt ja auch oft genug auf harten Wegen oder verdichteten Straßen, die dann die Schritte nicht abfedern und die Füße zusätzlich belasten.

Beim Rucksack dasselbe: Ich hatte mit Wasser ca. 10 Kilo auf dem Rücken. Das muss sich ohne Schulter- oder Rückenschmerzen tragen lassen, sonst vergeht der Spaß. Deswegen habe ich im Buch auch geschrieben, dass diese Kombi aus Schuh und Rucksack essentiell ist und man lieber ein paar Trainingsstrecken läuft, um zu gucken, ob es passt.

Als einzig richtiges Gadget abseits der Kleidung würde ich meine Offline-Map zählen. Nicht überall war der Weg so klar, wie auf dem Bild und mit der Map konnte ich mich selbst in Abschnitten mit Funkloch und im Wald gut orientieren und musste nicht zusätzlich Faltkarten rumschleppen. Und Funklöcher und Wälder gab es so einige auf der Route.

An welchem Ort hast du die gastfreundlichsten Menschen kennen gelernt? Was war so besonders?

Gastfreundlich waren eigentlich alle Wirte und Pensionsbesitzer. Tatsächlich gab es aber Unterschiede im Interesse der Menschen an mir und meinem Vorhaben. Vor allem in Brandenburg und Nordsachsen hatte ich den Eindruck, dass ich mit meinem Rucksack und meinem Ziel irgendwie interessant bin.

Dort haben mir die Inhaber, aber auch Fremde auf der Straße von ihrer Region, was es wo zu sehen gibt (selbst im kleinsten Ort) und natürlich dem tiefgreifenden Wandel erzählt. Das fand ich sehr schön und auch irgendwie rührend.

Göltzschtalbrücke

Gerade in der Region südlich von Leipzig bis Hof sieht man die alte Wirtschaftsgeschichte ja auch an jeder Ecke. Riesige, halbverfallene Fabrikgebäude, alte Handelsrouten mit imposanten Infrastrukturbauten wie der größten Ziegelbrücke der Welt, aufgelassene Kohlereviere etc..

Die Menschen, die nach der Wende dort geblieben waren, haben quasi unfreiwillig wahnsinnig viel Umbruch erlebt und fanden es scheinbar schön, dass ich dort unterwegs bin und mich dafür interessiere.

Man hat richtig gemerkt, dass sie gerne davon erzählen und auch zeigen wollen, dass ihre Region trotz vieler negativer Medienberichte nicht so schlecht ist.

Was hast du auf deiner Reise über dich selbst gelernt?

So abgedroschen es klingt, aber: Schritt für Schritt kommt man zum Ziel. 670 km Strecke klingen unglaublich viel und am Anfang wusste ich auch nicht, ob ich es schaffe. Ich bin jetzt kein Extremsportler und hatte vor den mindestens 25 km pro Tag schon Respekt. Und doch war das tägliche Laufen irgendwann Routine. Man muss es einfach probieren, wenn man so eine Idee im Kopf hat.

Was bedeutet Reisen für dich?

Reisen ist für mich Freiheit und Entdecken. Auf der Wanderung war ich so frei, wie bisher eigentlich noch auf keiner Reise. Man hat wirklich nur das Allernötigste dabei. Gehen, essen, schlafen jeden Tag sozusagen. Kein Auto, das irgendwo geparkt werden muss, kein Bus, Flug oder Zug, der erwischt werden muss.

Man läuft einfach und entdeckt, was um einen herum passiert: z.B. Neugierige Tiere, die versuchen möglichst nahe zu kommen ohne entdeckt zu werden oder kleine Dörfer, die plötzlich nach Schulschluss lebendig werden. Es ist natürlich auch mal gut anstrengend und gibt weniger gemütliche (aggressive Hunde, Regen, Kälte) Eindrücke, aber das gehört zur Freiheit und dem Entdecken dazu.

Worauf freust du dich, wenn du von einer Reise zurück kehrst?

Normalerweise bin ich immer etwas schwermütig, wenn ich wieder ankomme. Aber man freut sich dann doch wieder einmal länger an einem Ort zu sein, die Eindrücke zu verarbeiten und vor allem seine Sachen auch mal zu waschen:)

Dieses Mal habe ich mich aber vor allem gefreut, länger zu sitzen. Auch wenn das Sitzen am Anfang total komisch und unnatürlich wirkte, waren meine Beine am Ende doch froh, einfach mal Ruhe zu haben. Ich habe während der ganzen Wanderung nur zwei Ruhetage eingelegt und das war am Ende etwas zu wenig, so dass die Füße genug hatten.

Aber nach einer Woche hätte es dann auch wieder weitergehen können ….

Was war das Highlight deiner Reise? Wieso war es so besonders?

Grünes BAnd an der ehemaligen innerdeutschen Grenze

Ein einzelnes Highlight gab es so gesehen nicht. Ich fand es aber vor allem im Fichtelgebirge sehr schön und auch das grüne Band – auf dem ich nur auf einem kurzen Teil unterwegs war – hat mich beeindruckt.

Ich dachte, das Fichtelgebirge ist zwar eine Hügelkette, also schon bergiger, aber eher unspektakulär. Tatsächlich gab es dann auch richtige kleine, von Pilzen gesäumte, Wanderpfade und überall sprudeln kleine Bächlein. Damit hatte ich nicht gerechnet. Zusätzlich habe ich es genossen, dass ich dort mehr oder weniger ungestört und alleine unterwegs war.

Das hat vielleicht aber auch an der Jahreszeit (Ende September) gelegen. Das grüne Band empfand ich als surreal. Man läuft durch die Gegend und kommt mehr oder weniger plötzlich auf diesen geschützten Naturstreifen. Der Patroullienweg für die Wachjeeps existiert noch und auch der Abwehrgraben. Und man hört nur das Rauschen des Grases im Wind.

Ich habe es nicht erlebt, aber die Vorstellung, dass hier vor 30 Jahren auf jeden, der rüberwollte, geschossen wurde, finde ich total absurd. Aber es war harte Realität und ich war froh, dass es nicht mehr so ist und ich entspannt daran entlanglaufen konnte. Irgendwann werde ich sicher noch einmal länger auf diesem besonderen, historischen Flächenstreifen unterwegs sein.

Würdest du lieber nochmal an den schönsten Ort reisen, an dem du jemals warst oder einen neuen Ort entdecken?

Es gibt Orte, die ich sehr schön finde und die nicht so weit weg sind. Dort fahre ich tatsächlich auch öfter hin, aber ich würde jetzt nicht noch einmal an einen tollen Ort am anderen Ende der Welt fahren. Da entdecke ich lieber neue Regionen und Orte.

Wenn sich das verknüpfen lässt, fahr ich auch gerne noch einmal dort vorbei, wo ich schon einmal war. Meistens zieht es mich aber in Regionen, die ich noch gar nicht kenne. Zudem hatte ich einmal die Erfahrung gemacht, dass man enttäuscht werden kann, wenn man einen besonders in Erinnerung gebliebenen Reiseort ein weiteres Mal besucht.

Oft sind es genau die Kombination aus Ort, eigener Entwicklung und Zeit, die etwas interessant machen. Das kann nach ein paar Jahren oder in einer anderen Jahreszeit ganz anders aussehen. Da bewahre ich mir lieber meine Erinnerung, wie sie ist 🙂

Wie bewahrst du Erinnerungen an deine Reise?

Die weite Brandenburgs

Wie jeder andere wahrscheinlich auch, mache ich auf meinen Reisen Fotos und versuche so die Momente einzufangen. Bisher habe ich mit meiner Freundin auch zu jeder Reise ein Fotoalbum mit den besten Fotos gemacht. Zusätzlich habe ich immer auch ein Notizbuch dabei, wo ich meine Gedanken und Eindrücke reinschreibe. Das hilft nach einigen Jahren, die Erinnerungen wieder möglichst gefühlsecht wachzurufen.

Für diese Wanderreise habe ich nun das erste Mal auch ein Buch über die Tour geschrieben. Der Titel ist passend zur Strecke: „Ick loof, weil‘s mi gfreit!“. Dabei ging es mir nicht so sehr darum mein inneres Gefühlsleben für andere aufzuschreiben, sondern vielmehr wollte ich die Tour für möglichst viele Menschen zum Nachmachen festhalten.

Es gibt ja keinen offiziellen Fernwanderweg zwischen Berlin und München und das hat mich doch sehr gewundert. Also gibt es in dem Buch Infos zu meinen Unterkünften, eine Wanderkarte (auch als GPS-Track) und meine Eindrücke zu jeder Tagesetappe.

Eine Mischung aus Reisebericht und Wanderführer sozusagen. Die Hoffnung ist, dass möglichst viele sich auf den Weg machen, zu Fuß einen Teil Deutschlands kennen zu lernen und in dem Buch Inspiration und Hilfe finden.

Hier findest du weitere Informationen zu Daniels Wanderung und auch sein Buch: https://draussentutgut.de/knapp-670-km-spaeter/

HAT DIR DAS INTERVIEW MIT Daniel GEFALLEN? WIR FREUEN UNS AUF DEINEN NETTEN KOMMENTAR!

0 Kommentare

Deine E-Mail Adresse wird gemäß unserer Datenschutzrichtlinie vertraulich behandelt. Erforderliche Felder sind mit * markiert.